Hochleistungsschichten optimal eingesetzt bei Titan und warmfesten Superlegierungen

Werkzeug Technik 144 / 20. November 2014

Die Kanten- und Oberflächenpräparation spielt eine viel größere Rolle, als ihr bisher in der Regel zugestanden wird. Plädoyer eines Beschichtungsexperten für eine ganzheitliche Betrachtung.

Um der Forderung innovativer Fertigungsverfahren sowie der Bearbeitung immer "exotischer" werdender Werkstoffe gerecht werden zu können, müssen moderne Präzisionswerkzeuge und Bauteile stets an ihrer Prozessleistungsgrenze eingesetzt werden. Hochleistungsschichten sind hier unerlässlich. Allerdings macht die Schicht allein nur einen Teil des Erfolges aus. Ein wichtiger Grundstein für höchste Leistungsentfaltung ist die Kanten- und Oberflächenpräparation. 80% der Leistung und Qualität eines beschichteten Präzisionswerkzeuges werden vor der eigentlichen Beschichtung bestimmt. Erst wenn man das berücksichtigt, kann in der Wechselwirkzone von Werkstückstoff und Werkzeug das volle Potenzial einer beschichteten Schneide genutzt werden. Dies gilt besonders für die Bearbeitung von Materialien wie Titan oder warmfesten Superlegierungen, bei denen sich kein vorauseilender Riss ausbildet. (Abbildung 1)

Präparation als wesentlicher Faktor

Bei derzeit gängigen Lösungen wird die Oberflächenpräparation als Sanierung des variierenden Anlieferungszustands für die nachfolgende Beschichtung betrachtet. Erst bei integraler Betrachtung des Komplexes "Präparation plus Beschichtung" erkennt man, dass die Präparation wesentlicher qualitätsbestimmender Faktor ist, um ein beschichtetes Werkzeug oder Bauteil an der jeweils geforderten Leistungsgrenze einsetzen zu können.

"Es gibt mittlerweile eine nahezu unübersehbare Vielfalt an Schichten und Schichtsystemen, Marken und Technologien, Baukästen und modularen Systemen", meint Dr. Georg Erkens, Geschäftsführer der Surcoatec GmbH. "Dieser inflationären Entwicklung sehen sich viele unserer Kunden Unterstützung suchend gegenüber. Sie wenden sich an uns, um durch Kombination des Expertenwissens die optimale Lösung zu finden. Am Ende kristallisiert sich häufig heraus, dass einige wenige Schichten einen großen Teil der Applikationen abdecken könnten, wenn man das volle Potenzial der Schichten durch die gezielte Mikrostrukturierung nutzt."

Veredelung in Perfektion

Abhängig von der Applikation gibt es eine ideale Kantenstabilisierung, bei der ein beschichtetes Präzisionswerkzeug seine optimale Leistung entfaltet. Kantenverrundung, Mikrostrukturierung und High-End-Beschichtung im Einklang mit der Applikation ist Veredelung in Perfektion.

Legt man den Fokus stärker auf die Optimierung der Kantenverrundung und Schartigkeit, auf die Gleichmäßigkeit der Modifikation wie auch auf die Mikrostrukturierung oder Politur von Oberflächen, kann eine wesentliche Leistungssteigerung für ein und dasselbe Schichtsysteme erzielt werden. Man hebt bestehende Konzepte auf ein höheres Leistungsniveau, bisher nicht erfolgreiche Lösungen werden neu bewertet und optimiert. (Abbildung 2)

Basierend auf ihrem breiten Erfahrungsschatz haben die Beschichtungsexperten von Surcoatec mit s.performance 4.x ein umfassendes Leistungsangebot geschnürt, bei dem neben dem Beschichtungsprozess selbst die Mikrostrukturierung von Geometrie und Oberfläche den wesentlichen Wertschöpfungsanteil darstellt. Durch gezielte und gleichmäßige Kantenstrukturierung und damit -stabilisierung sowie eine Mikrostrukturierung der Oberflächen als Basis ergibt sich bei der richtigen Kombination mit Hochleistungsschichten ein Optimum der Leistungsfähigkeit eines Werkzeugs oder einer Komponente für eine Anwendung. Surcoatec setzt bei der Präparation auf modifizierte Verfahrensvarianten und für die Herstellung innovativster Hochleistungsschichten auf die moderne PVD-Anlagen- und Prozesstechnik von PerformCoat.

Wehret dem Anfang: Verschleißverhalten nachhaltig beeinflussen

Eine fachgerechte Betrachtung und Analyse von Anfang an ist eine weitere Grundlage für die Ausschöpfung des vollen Potentials von extrem belasteten Werkzeugen. Zum Beispiel bei der Zerspanung von Titan, Nickelbasislegierungen und Edelstahl.

Der Anfangsverschleiß ist wesentlich für das weitere Verschleißverhalten eines Werkzeugs. Um signifikante Verbesserungen der Produktivität und der Produktstabilität bei gleichen oder erhöhten Schnittbedingungen zu erzielen, muss man den Verschleißmechanismus während der Anschnittphase in Zone I
beurteilen und verstehen. Daraus werden die idealen Maßnahmen zur Kanten- und Oberflächenstrukturierung wie auch für die Beschichtung abgeleitet. (Abbildung 3)

Herausforderung: Zerspanung von Titan

Wie stark darf und sollte verrundet werden?

Bildet sich, wie bei der Zerspanung von Titan, kein vorauseilender Riss aus, wird die Schneidkante über den kompletten Radius in der Wirkzone belastet. Der größte Teil der im Prozess aufgrund hoher Drücke und hoher Reibung entstehenden Wärme wird dann bekanntermaßen über die Schneide und nicht über den Span abgeführt. Umso fataler ist es, wenn Anteile eines instabilen, beschichteten Schneidkeils in der Anschnittphase ausbrechen und unter hohem Druck über die Span- und Freifläche aus der Wirkzone ausgebracht werden. Unter hohem Druck, hoher Reibung und entsprechend hoher Temperatur führt dieser Hartpartikelaustrag zu einer Schädigung der beschichteten Span- und Freiflächen, wodurch ein rascher Verschleißfortschritt vorprogrammiert ist. Gleichzeitig wird die Bearbeitungsqualität negativ beeinflusst.

Wie schnell der Verschleiß fortschreitet, kann dann wiederum von der Schichthaftung, der Schichtdicke, der Wärmhärte und dem Reibungskoeffizienten bei hoher Temperatur sowie der Temperaturstabilität der jeweiligen Schicht abhängen. Bei unveränderter Mikrogeometrie und unveränderten Einsatzparametern ergeben sich so für Schichten mit variierenden Eigenschaften unterschiedliche Standzeiten. Um die Ergebnisse positiv zu beeinflussen, hat eine ausschließliche Veränderung der Schicht nur relativ geringen Einfluss, da diese Änderung nicht an der Ursache ansetzt. Kantenausbrüchen wird z.B. beim Fräsen von Superlegierungen und Titan durch eine adäquate und gleichmäßige Verrundung im Bereich 20-25 µm entgegengewirkt. Die geeignete Hochleistungsschicht baut darauf auf und ist dann für das Erreichen des Leistungsoptimums notwendig. Eine geeignete verschleißfeste, temperaturstabile

Hochleistungsbeschichtung mit für die Applikation angepasster Zähigkeit wirkt bei den hohen Temperaturen der Aufbauschneidenbildung, dem Freiflächen- und Kerbverschleiß entgegen. Die etablierte Hochleistungsschicht HPfC Titan, die sich durch Zähigkeit, hohen Verschleißwiderstand, hohe Temperaturstabilität sowie geringe Reibung bei erhöhter Temperatur auszeichnet, ist in Kombination mit einer 20 µm Kantenverrundung die Lösung bei der Bearbeitung von Titan und Superlegierungen.